Einblicke in die Konsensschmiede des Parlaments: Die Präsidialkonferenz im Österreichischen Nationalrat

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DOI:

https://doi.org/10.15203/4224.vol54.2025

Abstract

Parlamente sind Arenen des politischen Streits, bedürfen aber gleichzeitig eines allgemein akzeptierten Grundkonsenses und dessen konkreter Umsetzung in organisatorischen Fragen wie der Gestaltung der Tagesordnung und dem Umgang mit prozeduralen Konflikten. Zur Lösung solcher Konflikte nutzen viele Parlamente Koordinationsausschüsse bestehend aus Mitgliedern des Präsidiums und Vertretern der Parlamentsfraktionen. Dieser Aufsatz untersucht die Präsidialkonferenz (PK) im österreichischen Nationalrats als ein solches Gremium auf Grundlage detaillierter Interviews mit seinen Mitgliedern. Welche Rolle spielt die PK bei der Agendasetzung im Nationalrat und über welche Mechanismen es ihr gelingt, einen prozeduralen Grundkonsens herzustellen und zu reproduzieren? Die Analyse zeigt, dass die PK und die vorbereitende informelle Runde der Klubdirektor:innen vor allem die Zeitplanagenda des Nationalrats bestimmt und als Koordinationsgremium für verschiedenste prozedurale und organisatorische Themen dient. Die hochgradig konsensuelle Interaktion in der PK erklärt sich durch sechs institutionelle, persönlichkeitsorientierte und interaktionsbasierte Mechanismen, darunter die strikte Trennung von prozeduralen und politisch-inhaltlichen Entscheidungen, die Orientierung an Präzedenzfällen, die Antizipation von Obstruktionsmöglichkeiten, ein konsensorientiertes Rollenverständnis der Mitglieder und die wiederholte Interaktion in einer kleinen, vertraulichen und hochgradig professionalisierten Gruppe. Diese theoretischen Mechanismen sind über den Nationalrat hinaus generalisierbar und zeigen, wie parlamentarische Organisation auch unter Bedingungen politischer Polarisierung einen stabilen und fairen Parlamentarismus fördern kann.

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Veröffentlicht

2025-07-07

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Rubrik

Forschungsartikel